Forschung und Entwicklung im
digitalen Zeitalter

Komplexes verständlich machen

Unsere Umwelt wird verworrener: ob Rohstoffe, Stoffströme oder Strombedarf. Wer es schafft, den Überblick zu wahren, hat schon viel erreicht. Wem es aber gelingt, dieses Konzert zu dirigieren, dem eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Dr. Mario Löbbus hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ordnung zu schaffen. Neben der Material- und Produktforschung geht er mit seinem Team neue Wege, um Herr zu werden über die Komplexität.

Foto: Dr. Mario Löbbus
Dr. Mario Löbbus, Leiter Forschung, Entwicklung & Innovation

Auf der Suche nach dem Optimum
Eine oder zwei Hütten zu steuern, mag noch ein überschaubares Unterfangen sein, aber Aurubis ist in den vergangenen Jahrzehnten auf vier Hütten in verschiedenen Regionen Europas angewachsen. Aurubis verfügt über zwei Kupfer-Primärhütten, die insbesondere Konzentrate verarbeiten, und zwei Kupfersekundärhütten, spezialisiert auf verschiedene Recyclingmaterialien. Die damit zusammenhängenden Herausforderungen sind vielschichtig. „Unser Anlagennetzwerk ist zu einem verflochtenen Gebilde herangewachsen“, gibt Mario Löbbus zu bedenken. „Wir müssen lernen, mit dieser Komplexität umzugehen.“

In der Anlagensteuerung verfolgt Aurubis mehrere Ziele gleichzeitig. Dazu zählt, den Materialfluss so zu gestalten, dass die Anlagenauslastung maximiert wird. Das bedeutet unter anderem, mit den bestehenden Anlagen möglichst viel Kupfer und weitere Metalle auszubringen. Zudem arbeitet das Unternehmen daran, seine Fähigkeiten zu verbessern, die zunehmende Menge an komplexen Rohstoffen zu verarbeiten. Ziel ist es, den größtmöglichen Wert aus den Einsatzstoffen zu generieren. Doch damit nicht genug: Auch kommerzielle Themen, etwa die Optimierung des Bestandsmanagements oder die Verbesserung des Betriebskapitals, stehen auf der Agenda. Mario Löbbus fasst zusammen: „Am Ende zielen alle unsere Aktivitäten darauf ab, aus unserem bestehenden Hüttennetzwerk das Optimum rauszuholen.“

Modell zur Wiederverwendung
Im Gegensatz zu anderen Industrien, in denen die Einsatzstoffe größtenteils homogen sind und das fertige Produkt dann die Summe vieler Einzelelemente ist, geht die Kupferproduktion den entgegengesetzten Weg. Hier sind die Einsatzmaterialien – also das Kupferkonzentrat oder die Recyclingmaterialien – ein Gemisch vieler Elemente, während das Endprodukt – die Kathode – dann das hochreine Kupfer ist. Und mit dem Multi-Metall-Ansatz von Aurubis wird die Vielfalt in den Einsatzmaterialien und Ausbringungen künftig weiter zunehmen.

Das Unternehmen ist die ersten Schritte zur Entschlüsselung der Komplexität der Rohstoffe vor Jahren im Recycling-Bereich gegangen. So erarbeitete sich Aurubis in den vergangenen Jahren eine führende Position im Recycling. Auch heute entwickelt das Unternehmen seine Fähigkeiten im Hinblick auf die Recyclingmaterialien der Zukunft kontinuierlich weiter. Die Idee war es von jeher, die verschiedenen Bestandteile in den Recyclingmaterialien besser zu verstehen, ob Altkupfer, Elektronikschrott oder metallhaltige Schlacken der Industrie.

Die Erfahrungen aus dem inzwischen etablierten, wertorientierten und ganzheitlichen Ansatz werden mit dem Wachstumsprojekt FCM weiter an Bedeutung gewinnen.

Foto: Data Mining
Mithilfe von Computer-Algorithmen wird in den Produktionsdaten von Aurubis nach Mustern durchsucht, die helfen, die metallurgischen Prozesse besser zu verstehen.
„Wir arbeiten an eine vollständig digitalen Wertschöpfungskette: vom Rohstoffeinkauf bis zur Produktauslieferung, von der strategischen Planung bis zur täglichen Umsetzung.“

Vorreiterrolle in der Metallindustrie
Wie im Recycling beginnt Aurubis auch bei Kupferkonzentraten seine Planung schon vor dem Einkauf der Rohstoffe. Das Unternehmen nutzt Techniken der Modellierung und Advanced Analytics mit Planungsmodellen. Supply-Chain-Modelle können entlang der gesamten Wertschöpfungskette Entscheidungen unterstützen: vom Rohstoff über die Kathode bis zum Produkt. Ähnliche Systeme werden bereits erfolgreich in der chemischen Industrie eingesetzt. Doch in der Kupfererzeugung nimmt Aurubis mit seinen Entwicklungen eine Vorreiterrolle ein.

Basierend auf der Zusammensetzung der verschiedenen Rohstoffe, technischen Restriktionen, kommerziellen Bedingungen und aktuellen Marktgegebenheiten können mittels mathematischer Methoden Empfehlungen für die Produktion abgeleitet werden. Aurubis steigert damit den Wertbeitrag aus den Rohstoffen über der Vielzahl von unterschiedlichen Konzentraten.

Das funktioniert, weil das Unternehmen als Lohnhütte die Möglichkeit hat, seinen Einsatzmix zu variieren. „Wir mischen Konzentrate mit spezifischen Inhaltsstoffen aus unterschiedlichen Minen und stimmen das auf die Bedürfnisse unserer Produktion ab“, meint Mario Löbbus. „So produzieren wir eine größere Menge der gewünschten Metalle zu einem spezifischen Zeitpunkt. Dabei kommt uns die Vielfalt unserer Hütten im Konzernverbund zugute.“

Data Mining im Hüttenbetrieb
Um Einsatzmix und Anlagensteuerung weiter zu optimieren, wollen Mario Löbbus und sein Team die Prozessüberwachung und die gesammelten Daten des Unternehmens besser nutzbar machen als bisher. Hierfür werden in zunehmendem Maße Sensoren in und an den Anlagen installiert, die kontinuierlich Messungen vornehmen. Verbunden mit den Beobachtungen und Aufzeichnungen der Kollegen in der Produktion sowie mit Informationen aus dem Supply-Chain-Management ergeben diese einen umfangreichen Pool an Daten. Mithilfe von Computeralgorithmen wird dieser nach Mustern durchsucht, die helfen, die metallurgischen Prozesse besser zu verstehen, was wiederum die Entwicklung neuer Prozesse und Technologien, wie bei unserem FCM-Projekt, bedingt.

Aurubis möchte aus diesen Daten mögliche Optimierungspotenziale und Entscheidungshilfen ableiten und diese sowohl für die strategische Planung als auch für operative Zwecke nutzen. „Modellbildung und künstliche Intelligenz sind begrenzt durch Quantität und Qualität der Daten, mit denen man sie lernen lässt“, so Mario Löbbus. „Daten sind wiederum nicht gleich Wissen. Für diese Transferleistung braucht es immer das Zusammenspiel zwischen Datenanalysten und Metallurgen, Technikern und Finanzexperten.“

Foto: TSL-Versuchsofen
Der TSL-Versuchsofen (Top Submerged Lance) für das FCM-Projekt ist mit Sensoren bestückt, die Werte wie Druck, Vibration, Temperatur oder Schwingung erfassen und so eine kontinuierliche Diagnose über den Zustand des Ofens gestatten.

Intelligente Energieverteilung
Wo dieses Vorgehen in der Praxis konkret Vorteile bringen kann, zeigt ein erstes Projekt zum Energiemanagement am Standort Hamburg. Künstliche Intelligenz soll die Vorhersagen verbessern, wann Aurubis mit seinen verschiedenen Produktionsanlagen besonders viel bzw. wenig Energie aus dem öffentlichen Stromnetz abnimmt. Zukünftig sollen vorausschauende Eingriffe in die Produktionssteuerung Spitzenlasten vermeiden. Dank der aktiven Steuerung und Planung möchte das Unternehmen zudem die Auswirkungen solcher Eingriffe auf seine eigene Produktion verringern. Im nächsten Schritt soll das Modell zudem auf kurzfristige Energiepreisschwankungen reagieren.

Vorausschauende Instandhaltung
Neben den beschriebenen Optimierungen bleibt es eines der obersten Ziele eines anlagenintensiven Unternehmens wie Aurubis, Produktionsausfälle zu vermeiden. Auch hier forscht die Abteilung von Mario Löbbus unter dem Stichwort Predictive Maintenance. Denn für eine Hütte gehen mit einem ungeplanten Ausfall des Schmelzbetriebs regelmäßig Metallverluste einher. Wertvolle Bestandteile wie Edelmetalle verbleiben dann in der Schlacke und können nicht mehr wertbringend ausgebracht werden. „Ein geplanter Stillstand einer Anlage ist darum immer besser als ein ungeplanter“, erläutert Mario Löbbus. „Je frühzeitiger wir eine Schwachstelle identifizieren, desto größer sind unsere Möglichkeiten, zu handeln.“ Was heute noch nach Zukunftsmusik klingt, könnte in ein paar Jahren Realität werden.

„Vorausschauende Instandhaltung ist ein spannender Ansatz“, so Mario Löbbus. „Genauso wichtig ist aber, dass wir weiter daran arbeiten, die Metallausbringung und Verfügbarkeit der Anlagen zu maximieren. Wenn es ums Metall geht, müssen wir die Besten sein.“

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