Bei Aurubis sind viele Dinge in Bewegung: eine neue Vision, eine neue Strategie, ein neues Denken. Der Aurubis-Vorstand wagt eine erste Standortbestimmung und zeigt, wo der Weg hingeht.
Vor knapp einem Jahr wurde die neue Aurubis-Strategie vorgestellt. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Jürgen Schachler (JS): Auf jeden Fall positiv. Wir haben viele kleine und große Maßnahmen für weiteres Wachstum auf den Weg gebracht. Eine der sichtbarsten ist unser internes Projekt „Future Complex Metallurgy“, kurz FCM. Damit werden wir die Ausbringungsmengen an Nichtkupfermetallen deutlich steigern und uns noch stärker in Richtung Multi-Metall-Anbieter entwickeln. Darüber hinaus ist mir unser Effizienzsteigerungsprogramm sehr wichtig, das schon etwas länger im Unternehmen wirkt. Dank vorausschauender Planung wissen wir bereits heute, welche Initiativen wir im nächsten Jahr durchführen werden, um 2018/19 wie geplant weitere 60 Mio. € von insgesamt 200 Mio. € Projekterfolg zu erzielen. Hierzu tragen alle Mitarbeiter in allen Bereichen und Standorten bei, von der Produktion bis zur Administration. Auf diese Ausgewogenheit achten wir.
Rainer Verhoeven (RV): Unsere Aktivitäten lassen sich auch an den Zahlen ablesen: 2017/18 haben wir beim operativen Ergebnis vor Steuern um 10 % zugelegt und damit eines der besten Ergebnisse in der Unternehmensgeschichte erzielt. Wir liegen damit komfortabel innerhalb unserer Prognose. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass wir von einem positiven Marktumfeld profitiert haben. Zudem sind wir heute gewissermaßen schuldenfrei. Eine gute Ausgangslage für weiteres Wachstum.
Dr. Thomas Bünger (TB): Ein Punkt noch zu FCM: Es freut mich, zu sehen, mit wie viel Begeisterung die Kollegen hier an die Arbeit gehen und an einem Strang ziehen. Ein wichtiges Projekt wie dieses hat das Potenzial, dass Menschen über sich hinauswachsen. Da wundert es nicht, dass wir trotz bestehender Unwägbarkeiten bei einem solchen Mammutprojekt zeitlich voll im Umsetzungsplan liegen. Die gute operative Performance unserer Standorte im Jahr 2017/18 verdeutlicht zudem, dass wir im gesamten Konzern jeden Tag mit hohem Engagement an die Arbeit gehen!
Bei welchen Themen wären Sie gerne schon weiter?
JS: Grundsätzlich überstürzen wir nichts, weil wir dank unserer guten Marktstellung aus einer Position der Stärke agieren.
Wir wollen künftig aber stärker als bisher das externe Wachstum gestalten. Nach einem ersten Erfolg mit der vollständigen Übernahme der Deutschen Giessdraht im Juli 2018 ist es in Sachen Zukäufe bei uns wieder ruhiger geworden. Das heißt nicht, dass wir hier nicht aktiv verschiedene Möglichkeiten prüfen, sondern nur, dass wir dies sehr gewissenhaft tun – mit kaufmännischer Vorsicht. Interessante Synergien würden sich beispielsweise im Multi-Metall-Recycling ergeben, wo wir durch unsere Technologieführerschaft bereits Wettbewerbsvorteile haben. Ähnliches gilt für den Verkauf unseres Segments Flat Rolled Products, durch den wir uns wieder stärker auf unsere metallurgischen Kompetenzen konzentrieren wollen.
RV: Externes Wachstum ist ein wichtiger Teil der Strategie, aber natürlich nicht um jeden Preis. Dennoch: Wir werden hier 2019 am Ball bleiben, denn wir haben die Mittel und die Ideen dazu.
JS: Besonders am Herzen liegt mir auch das Thema Führungskultur. Wir möchten unsere Mitarbeiter dazu befähigen, sich stärker als Unternehmer im Unternehmen zu fühlen. Ich meine, wer eine hohe Verantwortung für sein Handeln und seine Arbeit übernimmt, der ist eher bereit, Höchstleistungen und Umsetzungsstärke zu zeigen. Darüber hinaus müssen wir künftig noch stärker als eine Mannschaft agieren, als ONE Aurubis. Mein Leitsatz: Niemand ist perfekt, aber ein Team kann es sein. Hier haben wir noch Luft nach oben.
TB: Zudem haben wir für mein Empfinden noch Nachholbedarf, wenn es um die Frage-Antwort-Kultur geht und darum, wie wir die Veränderungsprozesse, die unsere neue Strategie mit sich bringt, intern gut erklären. Im Umkehrschluss gilt aber auch für die Belegschaft, Fragen zu stellen. Denn nur so stellt jeder sicher, dass seine Themen adressiert werden und er mitgestalten kann.
Was erwarten Sie sich von 2019?
RV: Wir werden mit viel Elan und Konsequenz unsere strategischen Maßnahmen weiterverfolgen. Wie Herr Schachler schon erwähnte, werden wir auch in der Administration Verbesserungsprojekte vorantreiben. Hier ist mir eine stärkere Harmonisierung von Softwarelösungen, Prozessen und Vorgehensweisen ein wesentliches Anliegen – über alle wichtigen internationalen Standorte hinweg. Mit digitalen Themen beschäftigt sich unsere Forschungs- und Innovationsabteilung intensiv. Beispielsweise wollen wir mittels Modellbildung und künstlicher Intelligenz künftig noch mehr aus unseren Rohstoffen herausholen und unser Energiemanagement weiter verbessern.
TB: Wir werden Aurubis zukunftssicher machen, mit den Menschen, die hier arbeiten. Unser Umfeld ist im Wandel: Heute wird knapp die Hälfte der weltweiten Kupfermengen in China erzeugt und verarbeitet. Mit innovativen Prozesslösungen wie FCM, die sich ideal in unser bestehendes Hüttennetzwerk eingliedern lassen und uns noch mehr Flexibilität beim Rohstoffbezug geben, werden wir unsere Wettbewerbsposition weiter ausbauen. So entwickeln wir uns vom reinen Verarbeiter zum Lösungsanbieter, zum Beispiel für unsere Minenpartner. Gleichzeitig wollen wir künftig noch intensiver mit unseren Kupferproduktkunden zusammenarbeiten, etwa beim Recycling von Endprodukten.
JS: Grundsätzlich ist es unser Anspruch, im kommenden Jahr an die gute Entwicklung aus dem Vorjahr anzuknüpfen. Mit unserer Vision 2025 haben wir ein klares Ziel definiert, nun sind wir auf dem Weg. Mir ist wichtig, dass wir diesen im Einklang mit unseren Nachhaltigkeitsambitionen beschreiten. Dazu gehören so zukunftsweisende Projekte wie unsere Industriewärme, die wir Ende Oktober eingeweiht haben. Solche Teilerfolge zeigen eindrucksvoll: Wir sind in der Lage, wirtschaftliche Interessen und nachhaltiges Handeln in Einklang zu bringen. So werden wir 2019 weitermachen.
Das Interview führte Angela Seidler, Vice President Investor Relations & Corporate Communications.